Zur Bauwende gehören nicht nur die energetische Bilanz eines Gebäudes und die Verwendung nachhaltiger Materialien, sondern auch das Schließen von Stoffkreisläufen. Der Holzbau kann durch die Verwendung von Materialien aus Bestandsgebäuden hier punkten. Das Projekt „Sustainable Building Technologies – Community of Practice“, kurz SBTCP, an dem auch Junior Researcher Lukas Seidl beschäftigt ist, erforscht die Möglichkeiten der Altholzverwendung im Bauwesen.
Bestehende Gebäude als Rohstoffquelle
In der Kreislaufwirtschaft gelten Städte als Rohstofflager der Zukunft, schließlich finden sich in ihnen wertvolle Sekundärrohstoffe, die wieder den Zyklus der Nutzung eingespeist werden können. Dazu gehören nicht nur metallische oder mineralische Stoffe, sondern auch Holz: Sparren von Dachstühlen, Träger, Stützen oder ganze Wandelemente könnten zukünftig schonend zurückgebaut und als Baumaterial zur Errichtung neuer Gebäude genutzt werden. Aus ökologischen Gründen ist die Wiederverwendung sinnvoll, denn zum einen wird kein Frischholz aus den Wäldern benötigt. Zum anderen verlängert sich die Speicherdauer des im Holz gebundenen CO2 für die Lebensdauer des neuen Gebäudes – im besten Fall also für viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte.
Prüfung der Baumaterialien vor Ort
Wie aber bestimmt man, ob das Holz zum erneuten Bauen überhaupt geeignet ist? Schließlich tragen Balken und Stützen bereits Spuren aus ihrem ersten Leben, die die mechanischen Eigenschaften herabsetzen können. Dazu gehören Aussparungen, Risse oder ein Verfall der Holzsubstanz. Deshalb muss jedes gebrauchte Bauholz genau definierten Prüfkriterien standhalten, bevor es für das nächste Projekt eingesetzt werden kann. Idealerweise wird das Holz dort geprüft, wo es durch den Rückbau eines Gebäudes anfällt – also direkt auf der Baustelle.
Lukas Seidl beschäftigt sich mit mobilen Prüfverfahren, die genau dies ermöglichen sollen. Mit der sogenannten Time-of-Flight Methode, einem akustischen Prüfverfahren, kann das gebrauchte Bauholz zerstörungsfrei in Sekundenschnelle auf seine mechanischen Eigenschaften untersucht werden. Zwar ist dieses Verfahren praktikabel, um es auch auf der Baustelle einsetzen zu können, offen ist aber noch dessen Genauigkeit. Deshalb vergleicht er die Ergebnisse der Messung vor Ort mit denen einer 4-Punkt Biegeprüfung des gleichen Werkstücks, die in den Laboren am Campus Kuchl stattfand.
Die Versuchsmaterialien, mit denen er arbeitet, stammen aus einem über fünfzig Jahre alten Schulgebäude. Vor den Tests musste es jedoch noch händisch aufbereitet werden, was im Rahmen eines Altholz-Workshops gemeinsam mit Studierenden erfolgte. Die Materialien wurden mittels Metalldetektor untersucht und alle metallischen Verbindungsmittel wie Nägel oder Schrauben entfernt. Nach einer weiteren visuellen Begutachtung auf Schäden, Risse und Äste und der Kappung oder dem Aushobeln von schadhaften Stellen, war das Material fertig für die Schalldurchlaufprüfung.
Nachhaltiger Beitrag zur Schonung von Primärressourcen
Das übergeordnete Ziel des internationalen Projekts SBTCP ist es, europäisches Spitzenwissen im Bereich des nachhaltigen Bauens, der Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und kohlenstoffarmer Lösungen zu vereinen und innovative Lösungen zu generieren. Lukas Seidl ist überzeugt, dass seine Arbeit im Bereich der mobilen Prüfverfahren für Baustoffe dazu beiträgt: „Wir schaffen damit eine Möglichkeit, die eine direkte Klassifizierung der anfallenden Materialien auf der Baustelle erlaubt. Damit erhalten wir einen wichtigen Überblick darüber welche Materialien verfügbar sind, welche mechanischen Eigenschaften sie mitbringen und wie wir sie wieder einsetzen können.“