Der Handel kann aufgrund hoher Branchenumsätze und den daraus resultierenden Arbeitsplätzen zurecht als Wirtschaftsmotor bezeichnet werden. Obwohl mehr als 90% der Umsätze über den stationären Handel erzielt werden, stellt die Digitalisierung das Kerngeschäft des klassischen stationären Händlers vor neue Herausforderungen. Durch das Internet haben generell der Distanzhandel an Bedeutung gewonnen und große internationale Handelsplattformen ihre Marktmacht vergrößert. Neben der Option mittels sogenannter Multi- oder Omni-Channel-Ansätze eine Fusion aus On- und Offline Handel zu schaffen, stellt sich vermehrt die Frage, welche Digitalisierungsschritte im physischen Laden selbst sinnvollerweise vorangetrieben werden sollten, um die stationären Handelsflächen zukünftig krisensicher, produktiv und wettbewerbsfähig zu halten.
In diesem Zusammenhang hat sich in der Industrie das Konzept Industrie 4.0 in den letzten Jahren etabliert. Hierbei handelt es sich um die Einbindung des „Internets der Dinge und Dienste“ in den industriellen Produktionsprozess. In einer „Smart Factory“ werden zukünftig Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel als Cyber-Physical Systems (CPS) vernetzt. Intelligente Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel, tauschen eigenständig Informationen aus, lösen Aktionen aus und steuern sich gegenseitig. So lassen sich industrielle Prozesse grundlegend verbessern und neue Formen der Wertschöpfung bzw. neuartige Geschäftsmodelle schaffen. Der stationäre Handel als Zusammenspiel verschiedenster Akteure entlang der Lieferkette und die dadurch notwendige Konvergenz verschiedenster betriebswirtschaftlicher Kompetenzbereiche (Produktion, Logistik, Personal und Marketing) am Point of Sale (POS) stellen ein ähnliches Umfeld wie in der Industrie dar. Daher setzt sich Retailization 4.0 zum Ziel, das bereits etablierte Konzept der Industrie 4.0 auf den stationären Handel umzulegen.
Retailization 4.0 ist ein von FH-Prof. Dr. Robert Zniva und DI (FH) DI Simon Kranzer initiiertes und geleitetes Projekt, welches von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) für vier Jahre finanziert wird. Die Aufgabe des Projekts ist es Technologisierung des stationären Handels zu erforschen. Im Gegensatz zu anderen in Österreich umgesetzten Initiativen steht nicht die Effizienz der Distributionslogistik alleine, also die Beziehung zwischen Händler und Hersteller, im Vordergrund. Vielmehr geht es um die Hauptakteure des stationären Handels: um die Mitarbeiter*innen und Konsument*innen. Technologie soll nachhaltig Nutzen bzw. Lebensqualität bei diesen Anwendergruppen stationär schaffen und auch ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen am POS meistern. Hierbei gilt: Der Technologieeinsatz wird am Menschen entwickelt. Der Mensch wird nicht der Technologie bzw. dem Prozess untergeordnet. Durch dieses Vorgehen sollen Potentiale für eine technologische Stärkung des stationären Handels in unterschiedlichen Branchen, Betriebstypen und Eigentumsverhältnissen (insbesondere auch KMU) eruiert werden.
Leitung: FH-Prof. Dr. Robert Zniva & DI (FH) DI Simon Kranzer
Homepage: www.retailization.at