Aktuelles
12. Juni 2024

Projekt NETTLE: In Sissy's Hexenküche

Ein Besuch bei Sissy im Forschungslabor in Kuchl mutet ein bisschen wie ein Besuch in einer Hexenküche an. Es duftet ganz leicht nach Blumenwiese und wenn man sich den Geräten nähert, erinnern einen die Gerüche an diverse Kräutertees. In der Extraktionsapparatur köchelt und brodelt es vor sich hin und so ganz nebenbei entstehen aus dem getrockneten Pflanzenmaterial Extrakte mit spektakulären Farben. Je nach Pflanzenart reichen die von mintgrün (Pfefferminze) über gelb (Ringelblume) bis hin zu blau (Kornblume) oder rosa (Rosenblüten). Daneben steht Sissy Häsler Gunnarsdottir, Molekularbiologin und Forscherin am Studiengang Biomedizinische Analytik, zufälligerweise passend zu den Pflanzenextrakten ebenfalls mit intensiv rötlichen Haaren.

Sissy erforscht im Interreg-Projekt NETTLE, das die nächsten 2 Jahre in Kooperation mit der Universität Udine und der Universität Bozen läuft, natürliche Extrakte aus 30 verschiedenen grenzüberschreitenden alpinen Pflanzenarten mit interessanten biologischen Aktivitäten. Das Projekt bestimmt den phytochemischen Fingerabdruck der Pflanzen, z.B. in Hinblick auf antioxidative und wundheilende Eigenschaften. Im Projekt soll eine öffentliche Datenbank mit all diesen Informationen entstehen, um künftig beispielsweise kosmetisch/medizinische Formulierungen zur Behandlung von Erkrankungen der Haut wie Akne, Neurodermitis oder Epidermolysis bullosa zu entwickeln.

Gemeinsam mit dem Studiengang Holztechnologie und Holzbau erstellt Sissy im Labor in Kuchl gerade die konzentrierten Extrakte von verschiedenen Pflanzenarten wie Ringelblume, Thymian, Oregano, Kornblume, Frauenmantel und Edelweiß. Dementsprechend bunt ist es im Labor, mit Säcken voller Blüten. 12 der 30 Arten bearbeitet sie bereits. Als ersten Schritt schreddert sie das getrocknete Blüten- und Blattmaterial in einer elektrischen Kaffeemühle. Das dauert je nach Pflanzenart einige Minuten bis mehrere Stunden. Je feiner die Blütenblätter, umso schwieriger ist das Zerkleinern. Am Ende müssen die Pflanzenteile unter 500 µm klein sein, um sie in der sogenannten Soxhlet-Extraktionsapparatur weiter zu verarbeiten.

In dieser Apparatur wird das Pflanzenmaterial dann in einem Lösungsmittelgemisch aus Ethanol und Wasser (40:60) in mehreren Extraktionszyklen zu einem hoch konzentrierten Extrakt mit allen wichtigen chemischen Bestandteilen der Pflanze gelöst. Das Lösungsmittel wird dabei in einem Kolben bis zum Siedepunkt erhitzt, woraufhin der Lösungsmitteldampf über ein Seitenrohr bis in den Kühler steigt und von dort aus in die Extraktionshülse mit dem Pflanzenmaterial tropft. So werden die gewünschten Stoffe aus dem festen Pflanzenmaterial gelöst. Dieser Prozess dauert mehrere Stunden. Danach evaporiert Sissy in einer weiteren Apparatur noch das Ethanol und hat am Ende 160-200 ml konzentriertes Extrakt zur Verfügung. Am Ende testet sie den Feststoffgehalt des Extraktes, also die Konzentration des Stoffes in mg/ml. Danach bestimmt sie den Phenolgehalt der Extrakte, da dieser eine erste Einschätzung über die antioxidative Wirkung der jeweiligen Pflanze zulässt.

Sissy´s Extrakte kommen im Anschluss ins Labor der Biomedizinischen Analytik an der SALK, dort werden sie in verschiedenen Konzentrationen auf Hautzellen aufgetragen. In einem ersten Schritt wird festgestellt, wie sich die Inhaltsstoffe der Pflanzen auf die Lebensfähigkeit der Zellen auswirken, um in weiterer Folge die antibakteriellen und antioxidativen Eigenschaften in mehreren Experimenten zu bestimmen (siehe auch: https://www.fh-salzburg.ac.at/fhs/aktuelles/news/projekt-nettle-ein-spannender-blick-ins-forschungslabor).