Die ersten Lebensjahre eines Kindes sind geprägt von Lernprozessen und Entwicklungssprüngen. Eine Frage, die dabei oft aufkommt, ist, ob und wie frühkindliches Schielen die motorische Entwicklung beeinflusst.
„Häufig werden wir in der Orthoptik bei frühkindlichem Schielen gefragt, welchen Einfluss dies auf die motorische Entwicklung hat“, erklärt Ruth E. Resch, Studiengangsleiterin des Bachelorstudiengangs Orthoptik an der FH Salzburg. "Deshalb haben wir kürzlich eine Bachelorarbeit zu diesem Thema ausgeschrieben und betreut.“
Emily Toller, BSc, hat sich in ihrer Bachelorarbeit „INFANTILE ESOTROPIE: Wie beeinflusst Strabismus die motorische Entwicklung?“ intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. In der Zeitschrift DIE ORTHOPTISTIN wurde kürzlich ein Artikel dazu veröffentlicht: https://www.piratoplast.de/augenpflaster/praxis/service/die-orthoptistin/
Aktuelle Forschungsergebnisse lassen nun klarere Aussagen zu: Sehkraft, Sehfehler (wie Kurz-, und Weitsichtigkeit sowie Hornhautverkrümmung) und Schielen haben einen Einfluss auf die kindliche Entwicklung der motorischen Fähigkeiten. Besonders bis zum 15. Lebensjahr spielt der Sehsinn bei Aufgaben wie Balance eine wichtige Rolle. Schielende Kinder balancieren mehr mit den Beinen aus, anstatt den Oberkörper zu nutzen – eine Strategie, die sich mit der weiteren Entwicklung normalisiert. Im Erwachsenenalter sind dann das Gleichgewichtsorgan, das Einschätzen von Aktivität und Position der Muskeln, Sehnen und Gelenke und die Information des Sehsystems gleichwertig.
Schieloperationen werden meist noch vor der Einschulung durchgeführt. Die Verbesserung der Augenstellung und die Weiterentwicklung der Systeme, die für das Gleichgewicht zuständig sind, verlaufen oft parallel. Deshalb zeigt sich nach einer Schieloperation um das Einschulungsalter herum – trotz eventuell verbleibendem Restschielen – häufig eine signifikante Verbesserung der motorischen Fähigkeiten. Unterstützt wird diese Verbesserung der Motorik bestens bei Erlangen von „Beidäugigkeit“ oder bei Restschielen durch das Verringern des „großen notwendigen Blicksprunges“ beim Wechseln zwischen dem Schauen mit dem rechten und dem linken Auge.
Quelle:
Hager, Toller, Entacher, Koschkar-Moser, & Resch (2024). Motorische Entwicklung bei (frühkindlichem) Schielen. Die Orthoptistin, 2, 5-6.