Am 23. Juni 2022 fand der 5. Agilen Abend an der FH Salzburg statt. Im Fokus der Veranstaltung stand das Thema Arbeitgeber*innen-Attraktivität.
Bewerber*innen ablehnen, wenn andere händeringend nach ihnen suchen? Der innviertler IT-Dienstleister ACP TEKAEF macht es vor, wie man trotz herausforderndem Standort und verbreitetem Fachkräftemangel die besten Arbeitnehmer*innen anzieht und die Fluktuation niedrig hält. „Dem talentierten Softwareentwickler aus Linz musst du schon etwas bieten, wenn du ihn zu uns nach Ried bringen willst. Da reichen € 100,- mehr im Monat nicht aus“, weiß Daniel Rossgatterer, CEO des IT-Dienstleisteres TEKAEF, einem mittelständischen Full-Service-Anbieter für Arbeitsplatzlösungen. Beim 5. Agilen Abend erklärte er, warum er Mitarbeiter*innenbindung und -gewinnung zur Chefsache gemacht hat: „Wenn deine Mitarbeiter*innen nicht zufrieden sind, sind es deine Kunden*innen auch nicht!“
Was Arbeitgeberattraktivität ausmacht
„Natürlich ist ein modernes Bürogebäude für Arbeitnehmer*innen attraktiv“, weiß Rossgatterer. Sein Unternehmen hat selbst erst kürzlich in den Neubau der Firmenzentrale nach den Maßgaben einer New Work Arbeitswelt investiert. Gleichermaßen setzen junge Arbeitnehmer*innen einen gewissen IT-Standard voraus. „Sie sind B2C verwöhnt. Modernste Applikationen wie sie Amazon, Google oder die Social Media Portale bieten, sind ihr täglich Brot.“ Wenig verwunderlich ist für Rossgatterer damit auch der Frust junger Arbeitnehmer*innen, wenn sie in Unternehmen dann mit veralteten Programmen arbeiten sollen. All dieser Faktoren müsse man sich bewusst sein. Letztendlich sei es aber die Unternehmenskultur, die wahre Arbeitgeberattraktivität ausmache. Hier geben ihm auch aktuelle Studien recht: Das Betriebsklima bleibt unangefochten der wichtigste Faktor, um Menschen an ein Unternehmen zu binden (Hays 2022, S. 27).
Gute Unternehmenskultur kostet nichts
„Für eine gute Unternehmenskultur sind zuallererst einmal jene Dinge maßgeblich, die nichts kosten“, sagt der Unternehmer. Er selbst habe es sich zur Angewohnheit gemacht, jede*r Partner*in und jedem Kind seiner Arbeitnehmer*innen eine Geburtstagskarte zu schreiben. Das koste ihm nichts außer Zeit, aber die sei – mit Blick auf die außergewöhnlich niedrige Fluktuationsrate des Unternehmens von nur 1% – wohl investiert. Ähnlich bedeutsam sei die Möglichkeit der Beteiligung. „Man kann nicht erwarten, dass Mitarbeiter*innen mitdenken und innovativ sind, dann aber keine Möglichkeit zur Gestaltung haben“, sagt Rossgatterer. TEKAEF hat dafür eine Ideenwerkstatt implementiert. Ca. 200 Verbesserungsvorschläge werden auf diesem Weg pro Jahr an die Geschäftsführung herangetragen. Sie räumen Mitarbeitern*innen nicht nur Beteilung ein, sie führen auch zu wesentlichen Prozess- und Produktverbesserungen.
Je digitaler die Arbeit, desto wichtiger die Unternehmenskultur
„Ob digitaler oder agiler Leader – man muss Menschen führen und entsprechende Kompetenzen mitbringen“, leitete Herbert Gölzner, Professor und Fachsbereichsleiter an der FH Salzburg, in den zweiten Teil des Abends über. Je digitaler unser Arbeiten werde, desto bewusster müsse man in Unternehmenskultur investieren – und die braucht hin und wieder auch physische Nähe, analoge Gespräche oder ein informelles Beisammensein. Ein Thema, das nach zwei Jahren Remote Work und Führen auf Distanz wohl kaum aktueller sein könnte.
Im Dschungel vielfältiger Herausforderungen
Die Gefahr sei groß, sich im Dschungel zunehmender Digitalisierung, steigender Komplexität und gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche zu verlieren, weiß Gölzner, der Unternehmen auch im Bereich der Organisationsgestaltung und im agilen Human Ressource Management berät. Ist der Blick auf die eigentlichen Probleme durch dieses Dickicht an Herausforderungen getrübt, ist die Anspannung in vielen Unternehmen groß. Vieldiskutierte Trends wie Agilisierung, Digitalisierung oder New Work scheinen dann eine schnelle Lösung zu sein. „Bei uns muss gerade alles agil werden“, bestätigte auch eine Teilnehmerin. „Unabhängig davon, ob der Prozess dafür geeignet ist oder die Organisation die entsprechende Reife dafür hat.“
Orientierung mit dem 3-Komponenten-Strukturierungsmodell
Um das zu vermeiden und strategisch fundierte Entscheidungen zu ermöglichen, haben Gölzner und sein Team das 3-Komponenten-Strukturierungsmodell entworfen. Es versucht zu ordnen, was auf Unternehmen gerade alles hereinprasselt: technologische Entwicklungen, die neue Businessmodelle möglich machen, eine zunehmende Klarheit im Bezug auf die Grenzen unseres kapitalistischen Systems, der damit verbunde Wertewandel, der Anspruch junger Arbeitnehmer*innen nach einer gelebten Work-Life-Balance, die Verwundbarkeit globaler Systeme und noch vieles mehr. „Um diesen Herausforderungen begegnen und als Unternehmen erfolgreich sein zu können, müssen wir Menschen befähigen und unsere Unternehmen agil und digital ausrichten“, weiß Gölzner.
Mit guter Sicht in die Zukunft
Dabei gilt: Wer A sagt, muss auch B sagen. Dass eine Neugestaltung der Büroräumlichkeiten nach New-Work-Prinzipien Kosmetik bleibt, wenn sich Arbeitweisen und das Führungsverständnis nicht verändern, zeigen viel zu viele gescheiterte Projekte. Ähnliches gilt für agile Arbeitweisen, die unwirksam bleiben, wenn Verantwortung nicht übertragen wird oder IT-Tools, die keinen Effizienzgewinn bringen, wenn Menschen nicht entsprechend befähigt werden. „Um genau diese Wechselwirkungen zu erkennen und nicht länger auf Sicht fahren zu müssen, haben wir das 3-Komponenten-Strukturierungsmodell entworfen“, erklärt Gölzner. „Es kann Unternehmen in diesem Dschungel unterschiedlichster Herausforderungen wie ein Kompass sein, der sie immer wieder dabei unterstützt, die Unternehmenslandkarte einzunorden.“
Zum 3-Komponenten-Strukturierungsmodell: Du interessierst dich näher für das 3-Komponenten-Strukturierungsmodell des #agilen.kreises? Einen ersten Überblick findest du hier. Wenn du noch mehr darüber erfahren möchtest, kannst du unter info@agiler-kreis.at gerne einen umfangreichen Artikel zum Modell anfordern.
Zur Veranstaltung: Der 5. Agile Abend wurde vom #agilen.kreis der FH Salzburg ausgerichtet. Der #agile.kreis beschäftigt sich mit Themen rund um „Agilität – Digitalisierung – Befähigung“ und besteht aus Mitgliedern des Fachbereichs Human Resource Management & Leadership der betriebswirtschaftlichen Studiengänge sowie dem Studiengang Informationstechnik & System-Management.