Pilze sind faszinierende Lebewesen: einerseits sind sie durch ihre Fähigkeit Holz zu zersetzen der Gegenspieler eines jeden Holzschutzmittels, andererseits kann genau diese Fähigkeit in der Holzindustrie eine nachhaltigere Produktion ermöglichen. In ihrem „Pilzprojekt“ beschäftigen sich die Bachelorstudierenden Maren Gramitzky, Raphael Keßler und Robert Bergmann mit den industriellen Anwendungsmöglichkeiten der Holzzerstörer.
Anders als Pflanzen können Pilze keine Photosynthese betreiben, um Nährstoffe zu gewinnen, das heißt, sie müssen sich anders ernähren. Sie tun dies, indem sie andere organische Substanzen abbauen und verstoffwechseln. Pilze zersetzen zum Beispiel Holz und wandeln es in Nährstoffe um, die sie wiederum zum Wachsen in ihre eigene Struktur einbauen. Damit sind die „Destruenten“, also die Zersetzer von Biomasse, fast überall in der Natur heimisch und können auch sehr komplexe organische Verbindungen abbauen.
Diese Fähigkeit kann man sich gezielt in der Bioraffinerie zu Nutze machen. Bei der Bioraffinerie wird Biomasse wie Holzreste, Grünabfälle oder landwirtschaftliche Nebenprodukte, in Kraftstoffe, Chemikalien, Werkstoffe aber auch Lebens- und Futtermittel umgewandelt. Das Prinzip ähnelt dabei der Erdölraffinerie, bei dem Rohöl in verschiedene Produkte wie Benzin, Kerosin, Schmiermittel oder Grundstoffe für Plastik umgewandelt wird. Im Rahmen der Bioökonomie soll diese biobasierte Gewinnung von Kohlenwasserstoffen in Zukunft dazu beitragen, unabhängig von fossilem Erdöl zu werden und klimafreundlichere nachwachsende Rohstoffe zur Produktion unserer Güter zu verwenden.
In Kuchl führt die Vorlesung „Bioraffinerie“ an dieses Thema heran und auch das Projektteam Maren, Raphael und Robert sind dadurch darauf aufmerksam geworden. Sie gehen nun in ihrem Semesterprojekt der Frage nach, ob Pilze als ganz natürliche Helfer in der Bioraffinerie eingesetzt werden könnten. Dabei ging es ihnen nicht um den Fruchtkörper des Pilzes, also den Teil den wir als Hut und Stiel kennen, sondern um das Myzel, welches sich netzartig im Boden auf großer Fläche ausdehnt. Dieses unterirdische System kann einerseits eine symbiotische Verbindung zur Wurzel der Bäume schaffen, aber gleichzeitig Totholz im Wald zersetzen. Letzteres kann gezielt in der Bioraffinerie zum Einsatz kommen, wenn bestimmte Holzbestandteile wie beispielsweise Lignin abgebaut werden müssen und dafür Pilze statt Chemikalien zum Einsatz kommen könnten.
Die „Pilzköpfe“ haben sich dieses Themas in ihrem Bachelorprojekt angenommen und dafür extra einen herkömmlichen Einbaukühlschrank zum Klimaschrank ausgebaut. Dieser ist wichtig, denn ohne kontrollierte Bedingungen (Luftfeuchte, Temperatur, Keim- und Sporenfreihheit etc.) ist es unmöglich das Pilzwachstum zu steuern. Bisher war der Bau des "Funginators" die größte Herausforderung im Projekt, aber mit einer kräftigen Portion Tatendrang, elektronischer Tüfteleien (Arduino und Rasberry Pi) und neu gewonnenem Wissen über die Wachstumsbedingungen von Pilzen konnte der Schrank erfolgreich in Betrieb genommen werden. Die ersten Fruchtkörper des Zitronenseitlings, einem Pilz der auch in der Küche verwendet werden kann, gedeihen auf dem Substrat aus Holzspänen. Gemeinsam mit einem Projektpartner aus der Holzindustrie wird nun erforscht, inwieweit sich bestimmte Pilzarten eignen, um Holzinhaltsstoffe gezielt abzubauen. Anstatt durch den Einsatz von Chemikalien könnten so die umweltfreundlichen Destruenten aus der Natur die Verfahrenstechnik ein Stück nachhaltiger gestalten.